Der Unbekannte

Das Bode-Museum in Berlin war wiedereröffnet. Mitten in der Woche waren außer uns nur wenige Besucher in der Ausstellung. Ich hatte mich in das Architekturmodell in einer Vitrine vertieft und bemerkte auf einmal mir gegenüber einen älteren Herrn, der ebenso ausführlich mit der Inspektion beschäftigt war. Im Einvernehmen über das erstaunliche Teil lächelten wir uns zu, grüßten freundlich und gingen jeder in eine andere Richtung weiter. Verdammt, wer war das? Als Optikerin hatte ich natürlich auch im Urlaub auf seine Brille geachtet; die war nicht von mir, also schon mal kein Kunde. Für einen Freund meines Vaters war er zu jung – kannte ich ihn von einer Fortbildung? Ganz sicher kannte ich ihn, aber es klingelte nix in meinem Kopf.

Zwei Räume weiter traf ich meinen Mann wieder, der mir erzählte, Wolfgang Thierse sei mit seiner Frau auch im Museum. - Mein Unbekannter, ein Politiker ohne Personenschutz in einem Museum! Das passte zu diesem außergewöhnlichen Menschen, das Privatleben, die Liebe zu Kunst und Kultur nicht vollständig der Sicherheit zu opfern.